Foto Architektur und sozialer Raum

"Nur die Fragen, die prinzipiell unendscheidbar sind,
können w i r entscheiden."

Heinz von Förster ist gestern 91-jährig gestorben.

Ich habe ihn vor ca. 10 Jahren in Graz im Museum der Wahrnehmungen gesehen und gehört. Er hat den Vortrag zur Eröffnung dieses Museums gehalten.
Heinz von Förster war ein Herr von kleiner Statur. In seinem weit gespannten Werk finden sich auch Theorien zur Wahrnehmung.
Das kleine Haus war mit Menschen überfüllt. Und damit jeder ihn auch wahrnehmen konnte, stieg Heinz von Förster auf einen Stuhl und hielt von dort seinen Vortrag.
Zentrale Aussage war: Nicht der Absender der Botschaft, der Empfänger determiniert die Information.

Bernhard Hafners Buch ist die Botschaft, der Leser als Rezipient deutet die Nachrichten aus der Innenwelt des Bernhard Hafner.
Entwerfen und das leere Blatt,
Selbstgespräche als Diskussion zwischen Alter Ego und Ego,
Luftarchitektur und Gedanken zum Raum sind Überlegungen und Felder der Phantasie, die mich ebenso beschäftigen wie Bernhard Hafner, Gedanken die sich verdichten, gleiten und in Träumen auflösen.
Die Außenseiten der Raum begrenzenden Objekte werden zu Innenseiten von Außenraum. Die ersten visuellen Eindrücke des Neugeborenen vermitteln oben unten und links rechts und umgekehrt, also Himmel unten und Erde oben, genetisch programmiert. Eine erste Folge von Prägung ist, dass dieser scheinbare Irrtum der menschlichen Wahrnehmung sich an der Wirklichkeit korrigiert. Der Kopf ist näher zum Himmel, die Füße bleiben am Boden.
"Dinge an sich gibt es nicht", wurde Heinz von Förster nicht müde zu sagen. Die Wahrheit war ihm äußerst suspekt, Dogmen waren ihm ein Gräul. Was nicht heißt, dass dem Kybernetiker und Konstruktivisten alles eins war oder er nicht Wirklichkeiten für "wahr" nahm: "Spielregeln sind notwendig, man sollte sie nur immer wieder überprüfen."
Auch dazu sollte das Buch von Bernhard Hafner anregen.
Fritz Achleitner schreibt im Vorwort:
Ein Buch, das man oft weglegen sollte, damit man es immer wieder zur Hand nehmen kann.
Zurück zur Luftarchitektur und zum verkehrten Sehen. Astronauten, die "unter" der Erde vorbeifliegen, sehen den Planeten oben und den Himmel unten. Mit entsprechend starken Teleskopen würden sie beobachten, dass Manhattans Wolkenkratzer wie Stalagtiten von der Erde hängen. Kurios, nicht? Oder Architekten nageln ihre Modelle an die Zimmerdecke und schauen sie von unten an. Oder wenn Architekten den Raum dazwischen anstelle der Objekte planten und diesen mit Luft auffüllten.
Dann müßten sie sich mit Luft auseinandersetzen und wüßten warum feuchte Luft aufsteigt und nicht zu Boden fällt. Feuchte Luft enthält Wasser, also H2O. Und die Wasserstoffatome machen feuchte die Luft leichter als die trockene und sie steigt auf. Und wenn sie oben angelangt ist wo es kalt ist, dann regnet es unten oder sie bleibt oben und das nennt man dann Schimmel.
Nochmals Achleitner:
Viele seiner Gedanken kreisen um das Entwerfen, vom leeren Blatt bis zur Auseinandersetzung mit der Komplexität der Stadt. Man wird bei der Lektüre immer wieder in neu ansetzende "Denkspiralen" hineingezogen, oft fasziniert, manchmal auch irritiert.

Bernhard, ich bin am Ende einer solchen Denkspirale etwas abseits gelandet, aber bei den nächsten Kapiteln
Which Wave?
Ausflug in die eklektizistische und de(kon)struktivistische Postmoderne
und
Strukturale Architektur.
Zur Architektur der Vernetzung
werde ich wieder mit großem Vergnügen zu Lesen beginnen und das Abenteuer der Außenlandung auf mich zukommen lassen.

Wondra
03.10.2002

zu:
Architektur und sozialer Raum
Bernhard Hafner
Löcker Verlag Wien, 2002
ISBN 3-85409-361-6

Am Podium:
Heidulf Gerngroß
Eilfried Huth
Heinz Wondra