Foto Kunsthaus Graz

Tarzans in the Media Forest
By Toyo Ito

Translation: Rudolfine Kriesche


Der Mies Pavillon in Barcelona hebt sich als höchst bemerkenswertes Gebäude von der gesamten Architektur des 20.Jahrhunderts ab. Das ist überwältigend wahr, sogar wenn man ihn mit allen anderen folgenden Arbeiten desselben Architekten vergleicht. Nirgendwo sonst finden wir einen Raum, der von einem solchen "Fliessen" erfüllt ist.
Diese Kombination aus Stahl, Glas und Stein impliziert dennoch keineswegs die Härte dieser Materialien. Verglasung und Steine sind nur die flachen und einfachen, planaren Komponenten des Raums. Räume, die aus einer Kombination sich horizontal ausdehnender abstrakter Ebenen geschaffen werden, haben eine unendliche Ausdehnung, die von Giedion als das wechselweise Eindringen von Innen- und Außenräumen bezeichnet wird. Etwas ähnliches kann man in den Arbeiten zeitgenössischer Architekten aus der Schule von De Stijl und Frank Lloyd Wright finden, aber kein Gebäude vermittelt das Gefühl des Fliessens so sehr wie das von Mies. Das ist nicht nur einfach auf seine räumlichen Komposition zurückzuführen, sondern es verdankt viel der Brillianz der Materialien. Alles - Glas, Stein und Metall- scheint miteinander zu verschmelzen und hinaus zu fließen in den Raum. Diese Materialien wirken aufeinander ein und schaffen eine erotische Atmosphäre im Raum, wobei sie sich in der nahen Wasseroberfläche spiegeln. Die Sensation, die dieser Raum erzeugt, liegt nicht in der Leichtigkeit einer Brise sondern in der Dicke flüssiger Lava.
In den frühen 20iger Jahren machte Mies einige Zeichnungen von Wolkenkratzern.Von seinen späteren Arbeiten wie dem Seagram Building und dem Lake Shore Drive Apartmenthaus wird gemeinhin angenommen, daß sie seine Vorstellung und Idee von einem Hochhaus repräsentieren. Ich persönlich glaube, daß kein anderes Gebäude als der Pavillon in Barcelona in seiner Wirkung die Vorstellungen verkörpert, die in diesen Zeichnungen zum Ausdruck kommen. Der Raum, aus Glas komponiert, hat keine bestimmte Struktur, sondern steht da wie eine Säule aus Eis, die in der Luft zu schmelzen beginnt. Es ist eine Architektur, nur aus Bildern geboren und noch ohne eine bestimmte Form.
Natürlich hat der Pavillon in Barcelona eine Struktur und eine Form, so wie er da am Boden steht, aber die ursprüngliche Vorstellung einer Architektur aus Glas, wie sie Mies in seiner frühesten Zeit vorschwebte, wird hier augenfällig in die Realität umgesetzt. Hier handelt es sich um eine Architektur, deren Stil sich noch nicht manifestiert hat.
Mies wird nachgesagt, er sei der Proponent des "universal space", der sich über die Städte des 20.Jahrhunderts ausbreitete. Tatsächlich war Mies einer der ersten Architekten, der mit der Vorstellung von einem Wolkenkratzer herauskam, der von einem Glas und Stahlgerüst getragen wird, Und trotzdem, das Bild eines Wolkenkratzers, der wie eine Eissäule ausschaut, oder der Raum, der durch den Pavillon in Barcelona dargestellt wird, scheint sich erheblich von den transparenten Bürogebäuden zu unterscheiden, die die modernen Städte füllen. Die Transparenz von Mies`s Raum scheint eine komplett andere zu sein als die anderer moderner Architekturbauten.
In einem Essay mit dem Titel "Chicago-Frame" diskutiert Colin Rowe diesen Unterschied. Rowe zeigt auf, wie ein Raum, der durch ein Stahlgerüst definiert wird, wie er bereits im Chicago des späten 19.Jahrhunderts existierte, sich vom "universal space" in der Vorstellung Mies van der Rohes unterscheidet. Es ist der Unterschied zwischen einem Raum, der als Resultat rationaler Zielvorstellungen in einer pragmatischen Wirtschaft entsteht und einer ideologischen Manifestation als Symbol einer zukünftigen, technologiezentrierten Welt. Dieser Unterschied, oder dieses antagonistische Szenario, ist heute immer noch zwischen großen Architekturfirmen und den sogenannten Avantgarde Architekten auszumachen. Da es keine anderen Architekten gibt, die sich so gründlich der Verwendung von Stahl und Glas widmeten wie Mies, sind seine Gebäude ohne Zweifel transparent. Aber die Transparenz des Barcelona-Pavillons ist nicht so wie klare Luft. Man fühlt sich wie tief unter Wasser wenn man auf Dinge schaut, und man könnte das wohl als durchscheinend bezeichnen. Dies unendlich Flüssige, das man in diesem Pavillon fühlt, muß aus diesem lichtdurchlässigen, flüssigkeitsähnlichen Raum kommen. Was wir hier erleben ist nicht wie ein Lufthauch sondern das Gefühl, sanft unter Wasser zu taumeln und zu treiben. Diese wahre Sensation macht den Raum so abgehoben und einzigartig.
Dieses Flüssige und Dichte, das man im Barcelona Pavillon allmählich wahrnahm, verschwand mit der Zeit sogar aus Mies`s eigener Architektur.
Stattdessen nahm sehr rasch eine architektonische Formalität überhand. Dieser Raum, der einmal ein fließender gewesen war, ging verloren, als ob Flüssigkeit in Festigkeit verwandelt worden wäre. Und wieder einmal, während wir das 21.Jahrhundert erwarten, sind wir auf der Suche nach einer solch erotischen Architektur, die mit der Umgebung verschmilzt.
Eines nachts hatte ich die Gelegenheit, am Pool in der Nähe des renovierten Mies Pavillons einen Diavortrag zu halten, wobei sich die Bilder im Wasser spiegelten. Einige Tage später fand ich mich in Lanzarote auf den Kanarischen Inseln wieder. Die Insel war in der Tat ein höchst erstaunlicher Ort. Sie war in keiner Weise vergleichbar mit den Orten, die ich bislang besucht hatte, und übertraf die Vorstellungskraft bei weitem. Ich fühlte mich, als säße ich auf dem Meeresgrund. Die Insel muß einmal im Meer versunken gewesen sein. Es gab nur wenig fruchtbaren Boden, um Pflanzen zu ziehen, und die Oberfläche war vor allem von Felsen, Schotter und Sand bedeckt. Es müssen hier permanent starke Winde wehen, da es keine Pflanzen höher als bis zur menschlichen Gürtellinie gab. Trotz des Mittsommer-Klimas schauten die Pflanzen verwittert aus und hatten kaum grüne Blätter. Die nackten Büsche ähnelten Korallenriffen an der Oberfläche, das Gebiet dem Meeresboden, der Oberfläche ausgesetzt.
Organismen haben unter Wasser eine viel größere Flexibilität in ihren Bewegungen als am Erdboden. Aber am Erdboden macht es die Schwerkraft für Fauna und Flora gleichermaßen notwendig, sich mit einem stabilen und selbsttragenden Rahmen auszurüsten. Die Fauna kann nie die Starrheit in der Bewegung überwinden, die durch diesen Rahmen bedingt ist. Aber im Wasser werden Tierkörper sowohl dem Druck des Wassers als auch dem Auftrieb ausgesetzt. Pflanzen und flexible Strukturen widerstehen am besten der Strömung oder dem Druck des Wassers. Es ist besser, sich anzupassen und den Kräften nachzugeben, als sich ihnen zu widersetzen. So taumeln und tanzen Flora und Fauna auf anmutige Weise im Wasser. Diese Bewegungen bestimmen die Formen der Lebewesen. Die Formen der Wasserlebewesen drücken auf diese Weise Bewegung viel expliziter aus als jene, die auf der Erdoberfläche leben. Die Formen der Lebewesen sind das Resultat ihrer Bewegungen. Sie sind in Wahrheit "Körper im Fluß".
Das Charakteristikum des Sendai Mediathek Projekts sind die röhrenartigen Säulen, die die Stockwerke auf sechs Etagen tragen. Die Stockwerksplatten, die auf jeder Seite ca. 50 Meter messen, werden von 13 Säulen getragen, die auf diese Weise die Grundstruktur bilden. Jede Säule besteht auf einer Kombination von dünnen Stahlrohren und ähnelt einem Bambuskorb. In jeder Säule befinden sich die vertikalen Versorgungsverbindungen, wie Aufzug und Stiegenhaus, Leitungen für das Aircondition- System und Kanäle für die Energieversorgung. Aber im Wesentlichen sind die Säulen leer. Von oben wird Tageslicht in die Säulen geführt. Die Säulen sind von unterschiedlicher Größe und Form, je nach den ihnen inneliegenden Funktionen. Das Design kann den Plänen für die jeweilige Ebene angepaßt werden. Mit anderen Worten: Diese Säulen sind ihrer Natur nach organisch, sie sind in ihren Formen wie in ihren Bewegungen einer Pflanze ähnlich. Man kann von ihnen behaupten, daß sie eine biomorphe Struktur haben.
Die Skizzen aus dem Anfangsstadium des Projekts haben am Rand neben den Säulen eine gekritzelte Anmerkung: "Seegras-ähnliche Säulen". Die Säulen sind geplant als etwas, das sich im Wasser biegt und tanzt wie Seegras. Der Kubus von 50 Meter Seitenlänge und 30 Meter Höhe stellt in dieser Hinsicht einen Wassertank dar. Wir hatten uns in Gedanken vorgestellt, daß sich 13 röhrenartige Säulen sanft im virtuellen Wasser eines Wassertanks hin und herbewegten.
Die Sendai Mediathek ist ein neuer Typus einer öffentlichen Einrichtung, die eine Bibliothek und Kunstgalerien beherbergt. Sie sollte natürlich eine Modellbibliothek und ein Modellmuseum für die nächste Generation sein und mit einem hochentwickelten Computernetzwerk ausgestattet sein. Was ist eigentlich die wahre architektonische Form für einen Raum, in dem neue Medien im Überfluß zum Einsatz kommen? Warum müssen wir an "Wasser" oder an " sich im Wasser bewegende Körper" denken bei einem Raum, der für elektronische Medien gedacht ist? Ein Computergrafiker hat uns erzählt, daß er, sobald er am Computer sitzt, das komische Gefühl hat, ein Teil seines Körpers werde in den Bildschirm hineingezogen. "Das Innere eines Computers ist natürlich nicht mein eigenes Inneres, aber es ist auch nicht außerhalb von mir. Die Grenze ist fließend, und ich kann nicht sagen, wie weit mein Selbst hineinreicht. In den elektronischen Medien sind Zeit und Raum anders als in unserem täglichen Leben. Wenn wir uns in ihre Welt begeben, steigt in mir ein seltsames Wohlgefühl auf", sagt der Designer, und er fährt fort:" Wenn ich am Computer sitze, fühle ich mich wie einer, der im seichten Wasser watet und mit einer anderen Welt in Verbindung steht."(Asahi Shimbun, 19.6.1994)
50 bis 60% des menschlichen Körpers bestehen aus Flüssigkeiten wie Blut und Lymphsekret, bei einem Neugeborenen sogar über 80%. Insofern können wir den menschlichen Körper mit einem Bewässerungssystem vergleichen, weil in ihm Flüssigkeiten fließen und zirkulieren. Er schließt sich über das Wasser an die Welt an.
Ungeachtet der Tatsache, daß die Menschen auch heute noch nicht ohne Wasser leben können, werden die Wasserversorgungssysteme moderner Städte gänzlich vor unseren Augen versteckt. Und wir neigen dazu, zu vergessen, daß unser Körper ein Teil der Natur ist. Wenn wir Bankok besuchen, werden wir sehr konkret an diese Tatsache erinnert. Bankok hat heute ein sehr gut entwickeltes Netz von Kanälen, und eine große Zahl von Menschen lebt am und vom Wasser. Wenn wir uns ihre Lebensweise anschauen, ist es uns ganz klar bewußt, daß auch unser Leben einmal sehr eng mit dem Wasser in Beziehung stand. Auf den großen Terrassen stehen Wasserkrüge in Reih und Glied, Die Leute plantschen im trüben Wasser, baden darin und waschen ihre Wäsche und ihr Geschirr im Kanal. Sie leben wie Amphibien. Wenn man sie beobachtet, können wir verstehen, warum Buckminster Fuller die Wiege der Menschheit an der Küste Südost-Asiens vermutete. Naga der Wassergott, symbolisiert auch das Volk der Thai, und das unterstützt diesen Gedanken. Naga, eine sich sanft schlängelnde Schlange, ziert oft die Gebäude und Schiffe in Thailand. Auch die eleganten Bewgungen der Thai-Tänzer erinnern uns an Naga. Wir können uns kaum vorstellen, daß sie dasselbe feste Skelett haben wie andere Organismen auf der Erde. Es scheint eher von biegsamer Konsistenz zu sein wie bei den Pflanzen und Tieren, die sich hurtig im Wasser hin und herbewegen und tanzen.
Der Grafikdesigner stellt eine ernsthafte Frage, wenn er sagt:" So, wie uns das Wasser erkennen läßt, daß der Mensch Teil einer großartigen Natur ist, könnten die elektronischen Medien die Bedeutung oder die Grenze eines Menschen modifizieren oder verändern, das betrifft besonders das Individuum".Indem er sich in den Bildschirm stülpte, wurde ihm die Möglichkeit bewußt, sein Selbst nach außen zu bringen. Das Selbst, das bislang hauptsächlich nach innen gerichtet war. Mit anderen Worten: Die Wahrnehmung, daß die elektronischen Medien in ihn hineinflossen, machte ihm wieder einmal klar, daß der menschliche Körper ein Teil der Natur war. Die neue Technologie steht nicht im Gegensatz zur Natur. Eher kreiert sie eine neue Art von Natur. Wenn die Natur so, wie wir sie immer gekannt haben, als wirklich bezeichnet werden soll, so muß diese künstliche Natur wahrscheinlich als virtuell bezeichnet werden. Und wir Bewohner der modernen Welt sind mit zwei Arten von Körpern ausgestattet, um mit diesen zwei Arten von Natur zurecht zu kommen. Dem realen Körper, der durch die Flüssigkeitsströme in seinem Inneren mit der realen Welt verbunden ist, und dem virtuellen Körper, der durch den Fluß der Elektronen mit der Welt in Verbindung steht.
Im Orient hat man mit "Natur" immer auch das Grundprinzip des Kosmos gemeint. Der chinesische Philosoph Lao-tzu lehrte z.B. im 4. Jahrhundert vor Christus, daß die Natur ihren eigenen Weg geht, den Gesetzen des Kosmos folgend und unabhängig vom menschlichen Handeln. Einer solchen Philosophie nach ist der menschliche Körper nicht unabhängig von der Welt, sondern integraler Bestandteil eines Kontinuums und im Einklang mit der Welt.
Banzan Kurnazawa, ein Philosoph der frühen Edo Periode (17.Jahrhundert) stellte die Integrität und Kontinuität zur Diskussion, die im Menschen und in der Natur vorhanden ist, und die im NeoKonfutionismus durch den "Geist" oder das "Ki" verbunden ist.
" So, wie unser Körper aus der Natur geboren ist und durch sie ernährt wird, so existieren wir Menschen in der Natur als deren Kinder, ungeachtet dessen, wie klein wir physisch auch sein mögen. Das "KI" von "Yin" und "Yang" und die fünf Elemente, die Himmel und Erde erfüllen, gestalten auch unseren Körper. Das trübe und dicke KI nimmt Gestalt an und wird zum Körper, während das klare und leichte KI das Innere des Körpers füllt, um ihn zu aktivieren.
"Der Geist, oder das KI, wird durch Zirkulation des Kosmos und der Luft verdichtet und verfestigt, und bildet so den Körper der Organismen. Der Körper besteht aus Flüssigem und Festem, aber in der Hauptsache aus Gas. Das Gas wird verdichtet und verfestigt, um den Körper zu formen, die Luft wird ins Innere geleitet und füllt den Körper. Die Luft wird ein- und schnell wieder ausgeatmet, es gibt also keine Unterscheidung zwischen einem selbst und den anderen."
Diesem Denken gemäß wird allen Kreaturen des Kosmos eine eigene Form gegeben, aber diese Kreaturen sind alle fließend und verändern sich dauernd. Sie wechseln in einem fort und phasenweise von gasförmig zu flüssig zu fest, während sie mit der Welt verbunden sind. Tatsächlich ist "alles im Fluß".
Heute ist eine solch kosmische Sicht allerdings in Vergessenheit geraten, und man hat begonnen, dem individuellen physischen Körper Bedeutung beizumessen. Die Menschen sind heute von einem Denken besessen, das das Individuum ins Zentrum der Welt rückt und dann die Welt in Stücke aufteilt. Wir haben die Verbindung zwischen den Menschen, die Gemeinschaft, das was auf Gemeinschaft begründet ist, verloren und beginnen nun, auch die Verwandtschaftsbeziehungen zu verlieren. Heute ist sogar die Einheit der Familie nicht mehr sicher. Die Menschen enden als isolierte Wesen, sie fangen an, sich entfremdet und leer zu fühlen.
Nachdem wir schlußendlich so weit gekommen waren, begann sich die elektronische Technologie zu entwickeln und sie erinnerte uns an die Welt, die wir beinahe vergessen hatte: Das Fließen der Elektronen entsprach dem Fließen von "KI" und "Wasser".
Elektronische Geräte wie Personal Computer, Faxgeräte, Mobiltelefone und Navigationssysteme verändern tagtäglich unsere physische Wahrnehmung. Mobiltelefone sind heute ein wichtiges Handwerkszeug für Studenten. Sie nehmen ihre Handies überall hin mit und kommunizieren permanent mit ihren Komilitonen. Mit ihren Freunden am Handy zu sprechen ist für sie wie Kaugummi kauen, nicht der Mund will da Stimulation, sondern das Trommelfell. Sie versuchen, das Alleinsein zu vermeiden, indem sie jederzeit die Stimmen ihrer Freunde im Ohr haben. Ihre Körper gieren nach dem Fluß der Elektronen, so wie sie Wasser und Luft benötigen.
Auch ein Navigationssystem im Auto verändert unsere physische Wahrnehmung. Es ermöglicht uns, die Position unseres Fahrzeugs mit Hilfe von Radiowellen zu bestimmen, die von Satelliten übertragen werden. Die Position eines Fahrzeugs und die Anweisungen zur Erreichung des Ziels sind zu jeder Zeit auf einem Bildschirm ablesbar, und zwar mit Hilfe einer Straßenkarte auf einer CD Rom. Bei einer der üblichen Karten, die auf Papier gedruckt sind, existiert unser physischer Körper auf einer Ebene außerhalb der Karte. Der Raum auf der Karte war abstrakt, und wir mußten ihn erst im Kopf in einen dreidimensionalen Raum übersetzen, um die eigentliche Position des Fahrzeugs mittels Anbindung an die Realität zu erfahren. Durch das neue System überschneidet sich die Position des Fahrzeugs am Display mit der Wirklichkeit. Wir brauchen unsere physischen Körper nicht mehr von der Realität auf eine andere Ebene zu transferieren,wie schon der vorher erwähnte Grafiker meinte. Unser isoliertes Selbst wird durch die elektronischen Medien mit der Außenwelt verbunden, ob uns das jetzt gefällt oder nicht. Das Konzept des Innen/Außen ist tief in der Autonomie des Selbst verankert. Das Auftauchen der neuen Medien macht die Grenzen zwischen innen und außen durchlässig, ohne das wir es bemerken.Aus diesem Blickwinkel betrachtet können wir nur einsehen, daß der reale physische Körper und der virtuelle nicht länger in Widerspruch zueinander stehen, sondern sich gegenseitig komplett überlappen. Für einen analytischen Geist mag es scheinen, als ob es sich um eine Aufspaltung in duale Körper handelte, aber tatsächlich werden sie integriert und zu einem einzigen vereint. Wenn wir um jeden Preis eine Unterscheidung machen wollen, dann könnten wir sagen, daß ersterer ein analoger Körper ist, der nicht transparent ist, während letzterer ein digitaler Körper und transparent ist.
Was ich bis jetzt bezüglich des physischen Körpers gemeint habe, läßt sich auch auf die Architektur und den Städtischen Raum anwenden. Wir haben die Architektur und den städtischen Raum lange Zeit als unabhängig von der Natur definiert. In Asien sind beide allerdings Erweiterungen der Natur und deshalb mit ihr verschmolzen. Sie nehmen in der Natur eine relative Position ein und sie sind lebendig. Sie atmen ein und aus in ihrer Anpassung an den Fluß der Natur. Die Grenze zwischen innen und außen ist fließend, sowohl in der Architektur, als auch in städtischen Raum.
Die Häuser entlang der Kanäle von Bankok zeigen uns klar, daß die Leute, die da leben, vom Innen/Außen Konzept der Architektur völlig frei sind. Breite Terrassen biegen sich über das Wasser, Treppen führen zum Wasser hinunter und hinein, und die Räume sind zur Terrasse hin meist offen. Bougainvillaeen in voller Blüte wuchern beinahe in die Häuser hinein. Trotz der Tatsache, daß die Kanäle eigentlich ihre wichtigsten Transportwege sind, setzen sie ihre Wohnräume ungeschützt dem Kanal aus. Es gibt keine Eitelkeit und kein Verbergen. Das Konzept von Innen/Außen bezieht sich hier auf die Beziehung zwischen Architektur und Umwelt und nicht auf das Intern/Extern in seiner symbolisch gesellschaftlichen Bedeutung. Hier hat sich eine ideale und angenehme Beziehung zwischen Mensch und Natur entwickelt, so wie es auch keine Grenze zwischen innen und außen gibt, egal wie arm ein Mensch auch sein mag. Nicht weit zurück in der Geschichte haben auch wir in unseren traditionellen Häusern noch auf diese Art gelebt. Aber die Menschen, die in modernen Städten leben, können zu einem solchen Leben nicht mehr zurückkehren, sogar wenn sie erkennen, daß das für sie eine Art von Utopie ist. Es ist ihnen unmöglich, auf ihre Mobiltelefone und Faxgeräte zu verzichten. Also, welche Art von Environment sollten die Menschen sich wünschen, wenn sie von elektronischen Geräten umgeben sind?
Marshall McLuhan hat einmal gesagt, daß die Kleidung eine Erweiterung unserer Haut sei und unsere Unterkunft eine kommunale Haut oder Kleidung. Schon 1960 sagte er voraus, daß mit der Entwicklung der elektronischen Medien sich unsere bis dato vor allem an Bildern orientierte Kultur verlagern würde hin zu einer Kultur, die von Oberflächenreizen abhängig sei. Wenn wir den Hörsinn als Oberflächenreiz definieren, so werden Leute, die mit elektronischen Geräten bepackt sind wie ein Cyborg auf jeden Fall akute Oberflächenreize in höchstem Ausmaß erfahren. Die jungen Leute, die nicht ohne Handy leben können, müssen ihre Oberfläche permanent über den Hörsinn stimulieren.
Wenn beides, Kleidung und Architektur, Erweiterungen unserer Hautfunktionen sind, die als Energie-Kontrollmechanismen gegen die Außenwelt funktionieren, wie McLuhan behauptet, so wäre ihre Funktion als Membran natürlich von großer Wichtigkeit. Mit anderen Worten, Kleidung, Architektur und Städte müssen ihre Epidermis (Außenhaut) trainieren und pflegen, damit sie in höchstem Maße empfindsam und zart bleibt. Hier kann es sich nicht um das übliche, dicke und schwere Gewebe oder die Mauer handeln, die uns früher gegen die Außenwelt geschützt hat. Sie muß wie ein hoch wirksamer Sensor funktionieren, um den Fluß der Elektronen anzuzeigen.
Darüber hinaus muß die Membran weich und biegsam sein. Nicht starr und dicht wie eine Mauer. Architektur als Epidermis muß geschmeidig und elastisch sein wie unsere Haut und sie muß fähig sein, mit der Außenwelt Informationen auszutauschen. Architektur, die in eine solche Membran gehüllt ist, sollte eigentlich als "Media Suit", als "Medienanzug" bezeichnet werden. Das ist eine transparente Bekleidung für den digitalisierten, transparenten Körper. Und die Menschen, die in diesen transparenten Medienanzug gehüllt sind, werden sich in der virtuellen Natur ansiedeln, im Urwald der Medien. Sie werden sein wie Tarzan im Mediendschungel.