Paley Park, NYC
Manhatten 53. Strasse
Sie suchen die Ruhe der Plätze? Nein, die Städter setzen sich meist dorthin, wo andere sitzen, weil sie sich gesehen, also geschützt fühlen möchten. Sie brauchen das Geräusch der Stadt, das aber durch Büsche und Bäume in ein gleichmässiges, fast einlullendes Rauschen verwandelt ist. Alles dies hat nicht wenig zum Erfolg des eigenartigsten Platzes geführt, den ich kenne. Ich fand ihn zufällig, im Vorbeigehen; den Paley Park in der 53. Strasse, unweit der Fifth Avenue, die Stiftung eines reichen Mannes für die New Yorker. Er entstand in einer Baulücke zwischen zwei hohen Gebäuden; vierzehn Meter breit, etwa dreissig Meter tief, hinten begrenzt von einer knapp sieben Meter hohen Mauer, von der unablässig Wasser herabrauscht. Schon das Geräusch ist eine Erfrischung. Eine Pumpe pumpt das Wasser unentwegt hinauf; im Winter wird es geheizt, damit es nicht gefriert. An den Wänden links und rechts ranken sich wilder Wein und Efeu in die Höhe.
Der Platz ist von der Strasse deutlich abgesetzt, durch drei, vier Stufen aber auch durch zwei Torhäuschen links und rechts: in dem einen werden die Gartengeräte aufbewahrt, in dem anderen gibt es etwas zu essen und zu trinken. Der Platz ist mit Granit gepflastert. Darauf stehen, genau verteilt im Abstand von drei Metern hinter- und nebeneinander, siebzehn Bäume, Johannisbrotbäume, von denen man wusste, dass sie hier, unterirdisch bewässert, gedeihen.
Es stehen hier keine Bänke, sondern - Erinnerung an die Parks von Paris - Stühle, die sich jeder nehmen und zurechtrücken kann: Die Psychologen wissen, dass die Möglichkeit, seinen Stuhl und seine Stelle zu wählen, wichtig für das Wohlbefinden auf einem Platz sind. Bänke werden weniger gemocht, weil sie oft dort stehen, wo man nicht sitzen will. Beliebt ist der Paley Park aber nicht zuletzt deswegen, weil er eine Oase in der Stadt, aber unübersehbar ein Teil von ihr ist: Man sieht sie, man hört sie, man will sie auch hören. Wäre dieser Platz schalldicht abgeschlossen, würden sich Beklemmungen ausbreiten. Im heissen schwülen New Yorker Sommer glaubt man, es sei hier angenehm kühl; im Winter meint man, in dieser räumlichen Umarmung Wärme zu spüren.
Manfred Sack
Verlockungen der Architektur
Kritische Beobachtungen und Bemerkungen über Häuser und Städte, Plätze und Gärten
(c) Copyright 2003
Quart Verlag Luzern, Heinz Wirz
ISBN 3-907631-22-6