Foto Sackstraße 12, Graz

Heinz Wondra und sein in fast dreißig Jahren entstandenes Oeuvre einzuordnen, ist heute genauso schwer wie zu Zeiten der Grazer Schule, als er am ehesten als Antipode in Abgrenzung zu den anderen Grazer Architekten gesehen wurde.* Seine Vorliebe für rationale Architektur entsprang einer stringenten Logik, die zur Reduktion führt und in welcher Geometrisierung, Symmetrie und Achsen ein Ordnungsprinzip darstellen, das die Künstlichkeit der Architektur unterstreichen soll. Mit der Postmoderne hat Wondras Verwendung architektonischer Archetypen ebenso wenig zu tun wie seine "Poesie der reduzierten Form" mit der heute allerorts auftauchenden neuen Einfachheit. Seine Entwürfe sind durch einen dezidierten Anspruch auf eine unverwechselbare ästhetische Gestaltung aber immer auch mehr als reiner Funktionalismus, obwohl "Ort und Anlaß die Herausforderung für die Anstrengung bilden"(Zitat Wondra). Beides formt den Ansatz für eine analytische Entwurfsmethodik, die theoretische Reflexionen eines Themas, aber auch den historischen Kontext und den Stand der technologischen Entwicklung einbezieht. Oft wird ein Begriff weiterentwickelt, bis bestenfalls ein logisches, wie selbstverständlich wirkend neues Ganzes entsteht. Humor und feine Ironie als Mittel der Überhöhung oder Verfremdung tragen bei zu seinem Ruf, eigenständig, aber scheinbar auch ein wenig verschroben zu denken.
Bei der vorliegenden kleinen Bauaufgabe, einem einfachen Zweitdomizil, sind alle diese Kriterien auf subtile Weise angewandt. Ein ehemaliger Wirtschaftsraum an einem spätgotischen Laubengang, knapp 24 m² groß, sollte zum persönlichen Lebensbereich werden. Nicht vordergründig das Kappengewölbe, die Nischen und die schiefen Wände bestimmen die Entwurfsidee, sondern der Respekt vor 450 Jahren verschiedenster Nutzung - vor der Geschichte der Wände - die sich in Schichten übereinander ausdrückt. Der Raum wird in seiner Ganzheit nicht angetastet, jeder Eingriff erfolgt mit Distanz zu den bestehenden raumbildenden Elementen.
Ein überdimensionierter Stahltisch füllt fast bis auf halbe Raumhöhe eine Breitseite des Raumes. Er ist gleichermaßen Liegestatt wie Bergemöbel für Stahlcontainer auf Rollen, für einen Fernsehapparat, der entlang einer Schiene in den Wohnraum geschoben werden kann und eine fahrbare Küche in Form eines feingliedrigen Stahltisches mit in einer Glasplatte eingelassenen Kochmulden.
All das befindet sich hinter einem zweiteiligen, türhohen Paravent aus weiß gestrichenem Stahlblech und kann nach Bedarf und nach der Anzahl der Gäste beliebig herausgeschoben werden. So weit, so funktionell - nicht aber bei Wondra; bei ihm bilden die beiden Elemente des Paravents mit zwei rechtwinkelig dazugestellten getönten Glasplatten, die einem Stahlregal und der Eingangstüre vorgehängt sind, eine Art Tryptichon. Die geschlossenen Tafeln lassen das Dahinterliegende diffus durchschimmern und geben dem Raum einen fast weihevollen Abschluß. Sind sie geöffnet und damit jeweils vor die anderen geklappt, deuten ihre Kanten einen Fluchtpunkt jenseits des perspektivisch erweiterten Raums an.