Foto Tummelplatz, Graz

1990
Graz

HDA - Haus der Architektur
Jahresausstellung
Stadt im Fluß
Die Teile und das Ganze


Die Jahresausstellung des Hauses der Architektur 1990 soll die Stadt als fließendes Ganzes darstellen, die Regulative dieses Flusses feststellen, sowie das Ganze und seine Teile untersuchen. Sie soll die sichtbaren und unsichtbaren Grenzlinien in der Stadt und zwischen den Teilen zeigen, jene Orte behandeln, an denen die Verschiebungen, Veränderungen und Widersprüche stattfinden, eben jene Orte, die die Faszination Stadt ausmachen, ihr Leben und ihr Bild bestimmen, ja das darstellen, was Stadt überhaupt ist.

Architektur hat immer oft strengen Randbedingungen zu folgen, die Funktionen, ökonomische und technologische Machbarkeit schränken die Arbeit ein und fordern gleichzeitig heraus.
Besonders schwierig, weil sie sich nicht nach objektiven Kriterien bewerten lassen, sind die Forderungen, die Interpretation und dann die Bearbeitung des Ortes. Jedes Bauwerk entsteht aus und für einen Ort, sozusagen für eine Stelle mit bestimmten Eigenschaften. Liegt nun diese Stelle, der Bauplatz, innerhalb der Stadt, innerhalb des Bereiches der den Prozessen des Urbanen unterliegt, werden die Aufgaben für den Architekten besonders anspruchsvoll und für die Beobachter der architektonischen Arbeit oft schwieriger zu verstehen. Denn wie definiert man denn nun diesen Ort, was sind die ihm eigenen Phänomene, seine Eigenschaften, die dann das architektonische Werk bestimmen?

Vereinfacht gesagt, ist Stadt Konzentration von Menschen, permanenter kultureller Austausch, intensivste Kommunikation und Information.
Das bedeutet aber, sie ist als ein Ort, als eine Stelle allein nicht mehr begreifbar, sondern wird immer mehr zu einem vielschichtigen Netz aus Beziehungen und Verbindungen, die ständiger Veränderung und andauerndem Austausch unterworfen sind.
"Stadt" ist also heute keine statische Gegebenheit mehr, von der wir aufbauen können, sondern ein Prozeß geworden, an dem wir noch dazu alle teilhaben.
Dieser Prozeß, dieser Fluß, wird von Mode und Werbung, von Information und Medien, von Transport und Verkehr beeinflußt, und alle diese Faktoren funktionieren und reagieren sehr rasch und unmittelbar. Die physische Stadt mit ihren Straßen und Plätzen, Mauer und Häusern aus Stein, Beton, Stahl oder Glas bleibt ein langsames Medium, das uns immer mehr unzeitgemäß erscheint.
Das Leben in den Städten wurde daher immer mehr zu einem andauernden Improvisieren und Neuinterpretieren der sich dauernd wechselnden Randbedingungen und diese ständige Herausforderung ist auch das Faszinierende was urbanes Leben und die Stadt als ihren Raum ausmacht.
Architekten und ihre Arbeiten tragen zur Gestaltung dieses Lebensraumes wesentlich bei. Architektur als Gebautes, aber auch als Projekt, als Konzept, als Utopie, Provokation oder Irritation muß im Kontext einer sich dauernd und rasch verändernden Umgebung besonders darauf ausgerichtet sein, sich nicht nur dem status quo anzupassen, sondern Kommendes zu erahnen und vorwegzudenken, vielleicht utopisch zu sein. Das heißt hier aber nicht realitätsfremden Träumen nachzuhängen, sondern in der architektonischen Arbeit und in der Interpretation der Bedingungen unter welchen sie entsteht, vorurteilslos Konzepte zu entwickeln, die unabhängig von Moden und Gefühlen dazu beitragen, auch heute schon für Morgen, im Sinne Ernst Blochs zu versuchen, menschliche Heimat zu produzieren. Architektur für die Stadt bedeutet daher immer der Zeit und tradierten Vorstellungen einer bereits existierenden Wirklichkeit abzuschwören und mit ständigem Fragen und Prüfen neue Wege freizulegen, die diesem unendlich fließendem Ganzen Raum und Ausdruck verschaffen.
Durch jede gebaute, aber auch gezeichnete oder gedachte Architektur, wird das "Fließen" der Stadt im Ganzen und ihre Teile irritiert und verändert. Stadt und -Teile bekommen neue Akzente, ihre Grenzen verschieben sich, ihr Bild verändert sich. Durch Architektur werden innerhalb des Ganzen neue Reviere gebildet und auch ihr Charakter geprägt.
Einige Arbeiten der Architekten in der letzen Zeit wurden für den Lebensraum Stadt entwickelt. Gebautes, Projekte, Thesen, Konzepte, Irritationen oder Fragen behandeln die Phänomene der Stadt und ihrer Teile.
Grenzverschiebungen in der Stadt und zwischen ihren Teilen wurden dadurch hervorgerufen, Teile und damit letztendlich auch das Ganze neu bestimmt.
Wir haben nun solche Versuche zu einer Ausstellung gesammelt und aufbereitet, und weil die Stadt ein Ganzes ist wurden die Projekte in der Ausstellung zueinander in Beziehung gesetzt. Wesentliche Teile der Arbeiten, jene Teile, die augenscheinlich mit dem Ganzen - der Stadt - am stärksten in Beziehung treten wurden teilweise als Fragmente zu den Trägern der Abbildungen und Pläne. Dieses Konzept ist ein Versuch in einer Ausstellung wenigsten durch einige physische Teile, Mauern, Türme, Höfe, Straßen und Plätze das Ganze und sein Bild zu simulieren.

Peter Zinganel 1990



Mit Beiträgen von:

Arbeitsgemeinschaft Artec
Alfred Bramberger
Francesco de Luca
Sokratis Dimitriou
Domenig Eisenköck
Domenig Eisenköck Egger
Carl Fingerhuth
Konrad Frey
Ernst Giselbrecht
Heiner Hierzegger
Hubert Hoffmann
Eilfried Huth
Klaus Kada
Kapfhammer Wegan Kossdorf
Adolf Kelz
Krischan Illmaier
Peter Leeb
Lichtblau Wagner
Markus Pernthaler
Popelka Schwärzler
Elisabeth Steiner
Martin Strobl
Szyszkowitz Kowalski
Team A Graz
Heinz Wondra Fedo Ertl
Heinz Wondra Richard Kriesche
Irmfried Windbichler
Christoph & Martin Zechner